ESG: Die neuen EU Standards für Nachhaltigkeitsberichte und der strategische Einsatz von Daten

  • Christoph Ruth, Mahir Alman & Daniel Dadun
  • 12 December 2025

Nach der Verabschiedung der ESG-Omnibus-Richtlinie im Februar 20251 tritt die EU in die Umsetzungsphase ihrer Nachhaltigkeitsreform zur Vereinfachung von Regeln und Investitionen ein. Die Europäische Kommission hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) damit beauftragt, bis zum 31. Oktober 2025 überarbeitete European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorzulegen, die die Offenlegung an den Prinzipien Wesentlichkeit, Proportionalität und Interoperabilität ausrichten sollen.2,3

Diese Weiterentwicklungen bauen auf der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) auf, deren Umsetzungs- und Erstanwendungsfristen im Rahmen der „Stop the Clock“-Nachhaltigkeitsanpassungen der EU auf Juli 2027 beziehungsweise Juli 2028 verschoben wurden.4

Der Fokus auf verlässliche ESG-Daten erstreckt sich zunehmend auch auf den aufsichtsrechtlichen Bereich, in dem Aufseher nun dieselbe Datendisziplin erwarten wie in der Finanzberichterstattung. Parallel dazu hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ihre Leitlinien zum ESG-Risikomanagement finalisiert, gültig ab Januar 2026. Diese verlangen von Instituten, ESG-Faktoren in ihre Governance-Strukturen, Kreditvergabeprozesse und Kapitalplanung zu integrieren (EBA/GL/2025/01).5 Diese Maßnahmen markieren einen deutlichen Wandel von der bisherigen Konzeption regulatorischer Vorgaben hin zu deren operativer Umsetzung im Finanzsektor.

In der gesamten EU überführen Institute die regulatorischen Vorgaben immer stärker in ihren operativen Alltag. ESG-Risikokennzahlen werden in Kreditsysteme, Datenhaushalte und Reporting-Engines integriert, waährend Datenqualität, Szenariomodellierung und Prüfpfade die Umsetzungsroadmaps dominieren. Der Regulator verfolgt dabei einen pragmatisch Ansatz um von dem was offenzulegen ist mehr zur Art der Nachweisbarkeit: Dies beinhaltet insbesonder auch die Stärkung der Aufsichtskonsistenz, Wahrung der Proportionalität und Nutzung von Daten über Regulierung hinaus zur Förderung operativer Resilienz und Vertrauen.


Digitalisierung und die ESG Datengrundlage

Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zunehmend untrennbar mit der digitalen Identität und Vertrauensinfrastrukturen von Finanzinstituten verknüpft. Die neue eIDAS-2.0-Verordnung (EU 2024/1183) führt das Europäische Digitale Identitätswallet ein – ein vertrauenswürdiges Instrument zur Authentifizierung von Unternehmensdatenflüssen zwischen Firmen, Prüfern und Aufsichtsbehörden.Für ESG-Berichte bedeutet dies verifizierbare Unternehmensnachweise, digital signierte Nachhaltigkeitserklärungen und maschinell lesbare Prüfungsketten, sodass Aufseher und Prüfer die Authentizität und Herkunft jedes ESG-Datenpunkts systemübergreifend nachvollziehen können. Organisationen, die Metadaten standardisieren und interoperable Taxonomien anwenden, reduzieren ihren Abstimmungsaufwand und erhöhen die Glaubwürdigkeit ihrer Berichte.

Digitale Signaturen, Zeitstempel und grenzüberschreitende Validierungen entwickeln Compliance zu einem dynamischen Nachweissystem. Aufsichtsbehörden prüfen nun verstärkt, ob Nachhaltigkeitsdaten nahtlos mit Finanzbuchhaltungssystemen verknüpft sind. Die Datenherkunft – sowie der Nachweis wer jeden einzelnen Eintrag erstellt, geprüft oder geändert hat – rückt in den Fokus. Eine digital authentifizierte ESG-Erklärung könnte bald denselben Stellenwert wie eine Finanzbuchung besitzen.

Das ESG-Regime Europas verschiebt sich von der Konzeption zur Umsetzung. Entscheidend ist nicht die Ambition der Offenlegungsrahmen, sondern die operative Disziplin, Nachhaltigkeitsdaten verlässlich, prüfbar und resilient zu machen.

Dr. Christoph Ruth, Executive Director, Capco

MiCAR und die ESG-Dimension digitaler Vermögenswerte

Die Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR) erweitert ESG-Berichtspflichten auf den Markt digitaler Vermögenswerte. Ab Dezember 2024 gelten ihre Nachhaltigkeitsanforderungen für alle in der EU zugelassenen Krypto-Dienstleister (CASPs).7 Bis Dezember 2025 müssen lizenzierte Anbieter geprüfte Umweltdaten veröffentlichen, darunter jährlicher Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen und Anteil erneuerbarer Energie.8 MiCAR umfasst mehrere Kategorien von Kryptowerte, darunter Asset-Referenced-Tokens (ARTs), E-Money-Tokens (EMTs) sowie sonstige Krypto-Assets, die nicht als Finanzinstrumente gelten. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) strukturiert die Offenlegung in vier Kategorien:

  • Basisinformationen zu Emittent und Technologie
  • Verpflichtende Angabe des jährlichen Energieverbrauchs
  • Ergänzende Indikatoren wie CO₂-Emissionen und Anteil erneuerbarer Energie
  • Optionale Ziele und Strategien

MiCAR entwickelt ESG von einer statischen Offenlegungspflicht zu einer operativen Disziplin weiter, die kontinuierliche Überwachung und Prüfbereitschaft erfordert. Für Privatbanken und Vermögensverwalter, die tokenisierte oder kryptobezogene Produkte anbieten, entsteht eine neue Prüfungsebene: Sicherzustellen, dass zugrundeliegende Vermögenswerte konforme ESG-Daten bereitstellen, um regulatorische oder reputative Risiken zu vermeiden.

Energieintensive Proof of Work Netzwerke geraten stärker unter Beobachtung, während Proof of Stake- und Zero Knowledge-Systeme an Glaubwürdigkeit gewinnen. ESG-Transparenz wird im Markt zunehmend zum Indikator technologischer Reife.


Aufseher fragen nicht mehr, was Unternehmen im Bereich ESG planen. Sie wollen sehen, was die Daten belegen und wie klar jede Kennzahl über die Datenlinie zurückverfolgt werden kann.

Daniel Dadun, Principal Consultant, Capco

Integration durch operatives Design

Über CSRD, ESRS, MiCAR und eIDAS hinweg zeigt sich eine gemeinsame Leitlogik: die Sicherstellung glaubwürdiger Daten. Jede Regelung erhöht die Erwartungen an Validierung, Interoperabilität und Nachvollziehbarkeit.

Institute reagieren mit dem Aufbau zentraler ESG Data Offices, die Finance, Compliance, Risk und IT verbinden. Sie entwickeln strukturierte Datenmodelle, automatisierte Bestätigungen und intelligente Tagging-Funktionen, um konsistente Berichte über verschiedene Regime hinweg zu erstellen. Automatisierung wird unverzichtbar, da große Datenmengen in kurzen Berichtszyklen verarbeitet werden müssen. Intelligente Daten-Pipelines und KI-gestützte Analysen verbessern Geschwindigkeit, Genauigkeit und Vergleichbarkeit.

Fortgeschrittene Institute integrieren ESG-Parameter bereits in Kapitalallokation sowie Besicherungsmodelle und behandeln Nachhaltigkeitskennzahlen als entscheidungsrelevante Variablen. Die Aufsicht wird künftig prüfen, wie ESG-Sensitivitäten in ICAAP und Stresstests der Institute einfließen. Dieselbe Detailtiefe, die traditionell für Kredit- oder Liquiditätsdaten galt, wird nun auch für Nachhaltigkeitskennzahlen Anwendung finden.


Die strategische Positionierung der EU

Die datengetriebene Nachhaltigkeitsstrategie der EU tritt in eine Phase der verstärkten Integration und Transparenz ein. Ein zentrales Element ist dabei der European Single Access Point (ESAP), geschaffen durch die Verordnung (EU) 2023/2859. ESAP wird ab Juli 2027 von ESMA betrieben und als zentrale digitale Plattform für Finanz-, Nachhaltigkeits- und regulatorische Offenlegungen dienen. Langfristig werden Daten aus CSRD, SFDR und der EU-Taxonomie integriert.

Durch die Verringerung von Informationsasymmetrien und die Bereitstellung vergleichbarer, maschinenlesbarer Daten stärkt ESAP das Ziel der EU, Nachhaltigkeit transparent und handlungsorientiert zu gestalten.

Gemeinsam mit der ESRS-Überarbeitung, den ESG-Leitlinien der EBA, der MiCAR-Umsetzung und dem digitalen Rahmen unter eIDAS entsteht eine konsistente regulatorische Architektur, die Europas Wettbewerbsvorteil durch ein gesteigertes Vertrauen und Verlässlichkeit der Daten definiert. Die zentrale Herausforderung besteht nun darin, regulatorische Anforderungen in operative Intelligenz zu verwandeln und die Leistungsfähigkeit in der Nachhaltigkeit mess- und prüfbar zu machen.
Die ESG-Agenda der EU verschiebt sich damit von der regulatorischen Konzeption zur praktischen Umsetzung. Für Finanzinstitute bedeutet dies, Datenintegrität, Interoperabilität und Nachweisbarkeit in ihre Betriebsmodelle einzubetten. In einer sich konsolidierenden Regulierungslandschaft wird der Wettbewerbsvorteil weniger durch Interpretation der einzelnen Anforderungen, sondern durch die intelligente und effiziente Umsetzung bestimmt –die Fähigkeit, Nachhaltigkeitsverpflichtungen effizient in messbare und prüfbare Ergebnisse zu überführen.

Digitale Vertrauensrahmen wie eIDAS und ESAP verwandeln Aufsicht in Systemgestaltung. Compliance entwickelt sich von einer Berichtspflicht zu einer eingebetteten Funktion der Finanzinfrastruktur.

Dr. Mahir Alman, Managing Principal, Capco

Wie Capco unterstützen kann

Mit dem Übergang des Fokus der EU von der Regulierung hin zur Umsetzung stehen Finanzinstitute vor Herausforderungen und Chancen. Unternehmen, die Datenintegrität, Interoperabilität und Nachweisbarkeit in ihre ESG-Frameworks integrieren, stärken ihre Resilienz und ihr Vertrauen am Markt.

Capco unterstützt Finanzinstitute dabei, Nachhaltigkeitspflichten in operative Vorteile zu verwandeln – von regulatorischer Ausrichtung über Digitalisierung bis hin zur datenbasierten Entscheidungsfindung. Unsere Expertise verbindet Compliance mit Innovation und stellt sicher, dass Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil der Unternehmensleistung wird, nicht nur der Berichterstattung.

 

 

Referenzen
1 Europäische Kommission (2025): Omnibus I-Paket – Vereinfachung der EU-Nachhaltigkeitsregeln und -investitionen. Verfügbar unter https://finance.ec.europa.eu/publications/omnibus-i-package-commission-simplifies-rules-sustainability-and-eu-investments-delivering-over-eu6_en
2 EFRAG (2025): Arbeitsplan und Zeitplan für die ESRS-Überarbeitung, eingereicht bei der Europäischen Kommission. Verfügbar unter https://www.efrag.org/sites/default/files/media/document/2025-04/EFRAG%20ESRS%20Revision%20Work%20Plan%20and%20Timeline%20submitted%20to%20the%20EC_25042025.pdf
3 EFRAG (2025): EFRAG übergibt der Europäischen Kommission einen Arbeitsplan als Reaktion auf das ESRS-Vereinfachungsmandat. Verfügbar unter https://www.efrag.org/en/news-and-calendar/news/efrag-delivers-work-plan-to-the-european-commission-in-response-to-esrs-simplification-mandate
4 Rat der Europäischen Union (2025): Vereinfachung – Der Rat gibt endgültiges grünes Licht für den Stop-the-Clock-Mechanismus, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken und den Unternehmen Rechtssicherheit zu bieten. Verfügbar unter https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2025/04/14/simplification-council-gives-final-green-light-on-the-stop-the-clock-mechanism-to-boost-eu-competitiveness-and-provide-legal-certainty-to-businesses
5 EBA (2025): Leitlinien zum Management von ESG-Risiken (EBA/GL/2025/01). Verfügbar unter https://www.eba.europa.eu/activities/single-rulebook/regulatory-activities/sustainable-finance/guidelines-management-esg-risks
6 Verordnung (EU) 2024/1183 (2024): Verordnung über elektronische Identifikation und Treuhanddienste (eIDAS 2.0). Verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2024/1183/oj
7 Regulation (EU) 2023/1114 (2023): Regulation on Markets in Crypto-Assets (MiCAR). Verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A32023R1114 [1] ESMA (2025): MiCAR Sustainability Disclosures – Technical Guidance under Articles 66–68. Verfügbar unter https://www.esma.europa.eu/document/micar-sustainability-disclosures-technical-guidance
8 ESMA (2025): MiCAR Sustainability Disclosures – Technical Guidance under Articles 66–68. Verfügbar unter https://www.esma.europa.eu/document/micar-sustainability-disclosures-technical-guidance

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