Im Rahmen unserer sechsteiligen Artikelserie „Transformation im Zahlungsverkehr“ fassen wir Erfahrungen und Best Practices aus vergangenen Projekten zusammen, die Banken und Zahlungsdienstleistern wertvolle Anregungen für künftige Change-Projekte im Zahlungsverkehr (ZV) geben. Der vorliegende Artikel befasst sich mit dem Thema der Operational Readiness (OPR), den damit verbundenen Herausforderungen und Best Practices für ein erfolgreiches Go-live.
Im von digitalem Wandel und technologischen Innovationen geprägten Zahlungsverkehr entscheidet die Fähigkeit, Transformationsprojekte effektiv umzusetzen über den langfristigen Erfolg eines ZV-Unternehmens. Doch der Schlüssel zu einem erfolgreichen Go-live liegt nicht nur in der Technologie selbst, sondern vor allem in der Gewährleistung der Operational Readiness. Dieser Zustand stellt sicher, dass Teams, Systeme und Prozesse umfassend vorbereitet sind, um neue Produkte und Dienstleistungen ohne Hindernisse einzuführen oder eine Migration im sensiblen ZV-Umfeld erfolgeich durchzuführen. In diesem Artikel beleuchten wir die zentralen Herausforderungen und Best Practices, die den Unterschied zwischen einem reibungslosen Produktivstart und potenziellen Schwierigkeiten ausmachen können.
Herausforderungen im Kontext Operational Readiness
Die Sicherstellung der Operational Readiness bei Transformationsprojekten im Zahlungsverkehr erfordert die Bewältigung spezifischer Komplexitäten, die über das traditionelle Projektmanagement hinausgehen. Diese Herausforderungen sind tief in den Besonderheiten der Vorbereitung auf den produktiven Betrieb verwurzelt:
- Die unterschätzte Bedeutung im Projektmanagement
Operational Readiness wird in Großprojekten oft unterschätzt, sowohl hinsichtlich Komplexität als auch zeitlichem Aufwand. Viele Projektleiter* sehen sie fälschlicherweise als eine simple Phase am Ende eines Projekts, die mit geringem Ressourceneinsatz erledigt werden kann. Diese Fehleinschätzung ignoriert, dass eine frühzeitige Planung und ausreichende Ressourcen entscheidend sind, um sicherzustellen, dass Systeme, Prozesse und Teams optimal auf den Go-live vorbereitet sind. Dies kann zu erheblichen Last Minute-Problemen und potenziell gefährlichen Verzögerungen beim Go-live bzw. einer Migration führen.
- Detaillierte Prozessplanung
Eine zentrale Aufgabe liegt in der präzisen Planung aller mit der Transformation verbundenen Prozessschritte. Das Fehlen eines detaillierten Drehbuchs kann zu Unterbrechungen und Verzögerungen führen. Die Herausforderung besteht darin, alle notwendigen Aktivitäten im Vorfeld zu definieren und sicherzustellen, dass die Ausführung nahtlos erfolgt, insbesondere bei komplexen Migrationsprojekten, die ein hohes Maß an Koordination erfordern.
- Betriebsfähigkeit zum Zeitpunkt des Go-lives
Das Erreichen der vollen Betriebsfähigkeit beim Go-live stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Häufig unterschätzen Projektteams die Notwendigkeit, das Bearbeitungsteam durch präzise Kapazitätsplanung im Vorfeld abzusichern und sicherzustellen, dass alle (neuen) Teammitglieder über das erforderliche Fachwissen verfügen. Ebenso wichtig ist die lückenlose Implementierung der Zugriffsberechtigungen, um sowohl Sicherheit als auch den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ein Mangel an Vorbereitung in diesen Bereichen kann besonders in der kritischen Phase des Livegangs zu unerwarteten Problemen führen.
- Change Management in der Praxis
Die Akzeptanz neuer Systeme und Prozesse bei den Mitarbeitenden ist ein wesentlicher Herausforderung im Operational Readiness-Prozess. Effektive Change Management-Maßnahmen müssen Bestandteil der Strategie sein, um Widerstände zu überwinden und die Mitarbeitendenmotivation zu sichern. Hierzu gehört auch die zeitgerechte Bereitstellung von Schulungen und Informationsmaterialien, die auf die neuen Prozesse und Technologien vorbereiten.
Operational Readiness - mit Best Practices sicher zum Ziel
Um die genannten Herausforderungen zu meistern und eine erfolgreiche Operational Readiness sicherzustellen, ist die Anwendung bewährter Methoden unerlässlich:
- Drehbuch für Prozesssicherheit
Ein detailliertes Drehbuch hilft, alle notwendigen Aufgaben systematisch zu organisieren. Entsprechend der „Wer? macht Was? Wann?“-Formel sind alle Aktivitäten aufzulisten, die für die letztendliche Durchführung eines Rollouts oder einer Migration erforderlich sind. Um Brüche bei der Drehbuchausführung, die bis hin zu einem erforderlichen Rollback führen können, zu vermeiden, ist bei der Erstellung höchste Sorgfalt geboten. Pareto ist hier fehl am Platz, es zählt das Domino-Prinzip - die Drei muß an die Drei, die Fünf an die Fünf. Wenn im Erstellungsworkshop die Aktivität „Stammdaten von Team abc an Team xyz schicken“ benannt wird, sind unmittelbar Folgefragen zu stellen: Über welches Medium wird geschickt? In welchem Format? Ist eine vorhergehende Aktivität zur Abstimmung der Datenstruktur erforderlich? Nur so können Brüche in der Drehbuchausführung vermieden werden. Eine angemessen intensive Verprobung des Drehbuchs rundet die Risikovorsorge ab.
Je nach Komplexität des Scopes sollte rechtzeitig entschieden werden, wann mit der Drehbucherstellung begonnen wird und wer mit der Erstellung betraut wird. Bei großen und komplexen Transformationsvorhaben mit mehreren Rollout-/Migrations-Events ist es ratsam, dedizierte Ressourcen dafür einzuplanen, die idealerweise bereits in der Analyse- und Konzeptionsphase involviert werden. Der vermeintlich höhere Aufwand durch den frühzeitigen Einsatz der OPR-Ressourcen zahlt sich später aus, da Fach- und IT-Bereiche in folgenden Projektphasen - meist während der Tests, entlastet werden, wenn Drehbuchinformationen bereits früh eingesammelt wurden.
- Leitstand als Schaltzentrale
Der Leitstand dient als zentrale Steuerung- und Kommunikationsdrehscheibe für die Durchführung eines Rollouts oder einer Migration. Ist der Countdown eingeleitet, hören alle Drehbuchbeteiligten allein auf sein Kommando. Daher ist ein effizientes Leitstand-Setup notwendig:
• Bedachte Auswahl der (Kern-)Leitstandsbesetzung
• Festlegung der Kommunikationskanäle (dedizierte E-Mail-Adresse, Chat-Gruppe, Leitstand-Meetings)
• Tool und Prozesse für Beauftragung und Erledigungsmeldung von Drehbuchaktivitäten
• Effizientes Issue Management, mit ausreichend Kapazität für Issue Dispatching, -Analyse und -Lösung, sowie ein gut gepflegtes Issue Log
• Eskalationspfade
- Ressourcenverfügbarkeit
Der erfolgreiche Übergang in den produktiven Betrieb setzt voraus, dass das künftige Bearbeitungsteam zum einen mit ausreichender Kapazität zur Verfügung steht und zum anderen über das notwendige Wissen verfügt.
Es ist essenziell, bereits im Vorfeld eine präzise Kapazitätsplanung durchzuführen, um sicherzustellen, dass genügend personelle Ressourcen bereitstehen, um einen gegebenenfalls erhöhten Arbeitsaufwand zu bewältigen. Der zeitliche Vorlauf für die Rekrutierung und Ausbildung der Mitarbeitenden muss berücksichtigt werden.
- Know-how-Aufbau
Neben der personellen Kapazität spielt das Fachwissen der Teammitglieder eine entscheidende Rolle. Nur wenn die Mitarbeitenden umfassend geschult sind und über das notwendige Wissen bezüglich der neuen Systeme und Prozesse verfügen, können sie effektiv arbeiten und potenzielle Probleme schnell lösen. Regelmäßige Schulungen und der Zugang zu weiterführenden Informationsquellen sind unerlässlich, um Wissenslücken zu schließen und das Team bestens auf die Anforderungen des produktiven Betriebs vorzubereiten. Dazu ist es erforderlich, dass Neuerungen oder Änderungen in Prozessabläufen in den entsprechenden Dokumentationen aktualisiert werden und effiziente Schulungsmedien zu Verfügung stehen.
- Zugriffsmanagement
Bevor das Go-live erfolgt, müssen alle relevanten Zugriffsberechtigungen exakt definiert und implementiert sein. Dies gewährleistet sowohl die Sicherheit als auch den reibungslosen Betrieb nach der Umstellung. Es geht um eine etwaige Neuanlage oder Erweiterung des Berechtigungskonzepts, neue Berechtigungen als auch deren letztendliche Zuweisung an die Nutzenden.
Fazit
Operational Readiness ist mehr als nur eine Phase vor dem Go-live - es ist ein kritischer Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Umsetzung von (Groß-)ZV-Projekten bei Banken und ZV-Dienstleistern. Durch das Verständnis der Herausforderungen und die Anwendung bewährter Methoden können Organisationen sicherstellen, dass sie optimal auf den Livegang neuer Produkte oder Dienstleistungen bzw. auf Migrations-Events vorbereitet sind.
Mit unserem Know-how und unseren Erfahrungen haben wir bereits technische Fusionen mit über 1.000 einzelnen Drehbuch-Schritten sowie unzählige Plattformerweiterungen und -einführungen erfolgreich in die ZV-Produktion überführt. Capco bietet im Kontext Operational Readiness neben der Konzeption projektindividueller Operational Readiness-Ansätze auch die Durchführung der damit verbundenen operativen Tätigkeiten an (z. B. Drehbuch-Erstellung und -Durchführung, Leitstandmanagement und Issue Tracking).
* Diversity gehört zu den Kernwerten von Capco. Um Texte für sie so kurz wie möglich zu halten, lesen sie an einigen Stellen nur die männliche Form, gemeint sind jedoch ausdrücklich sämtliche Geschlechter.