FORMATÄNDERUNGEN IM AUSLANDSZAHLUNGSVERKEHR: WARUM DIE KOMPLEXITÄT AKTUELL (NOCH) WEITER STEIGT 

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FORMATÄNDERUNGEN IM AUSLANDSZAHLUNGSVERKEHR : WARUM DIE KOMPLEXITÄT AKTUELL (NOCH) WEITER STEIGT

  • Carsten Hahn, Felix Orth, Stefan Quermann
  • Published: 09 April 2020


SWIFT hat als Standardisierungsinstitution für Nachrichtenformate im globalen Auslandszahlungsverkehr mit der Common Global Innovation-Initiative (CGI) umfangreiche Erweiterungen in Formaten und Services initiiert. Ursprünglich sollten die neuen MX-Formate ab November 2021 optional gelten und nach einer vierjährigen Übergangsfrist im November 2025 das alte Format ablösen. Es ergeben sich nun jedoch Verschiebungen. 

Auch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) sowie das Eurosystem als Betreiber des paneuropäischen Clearingsystems TARGET2 und die EBA Clearing als Betreiber des ebenfalls paneuropäischen Clearingsystems EURO1 haben eine Migration der bisher verwendeten Formate (DTAZV bzw. SWIFT-MT-Nachrichten) auf ISO20022-basierte XML-Formate angekündigt. Während der Zeitplan der DK für XAZV an den von SWIFT angelehnt ist, haben das Eurosystem und EBA Clearing eine »Big Bang«-Migration für den November 2021 beschlossen. Bisher waren die Initiativen zur Implementierung neuer Formate im Auslandszahlungsverkehr synchron gelaufen, was eine abgestimmte Projektplanung für die Banken erleichterte. 

In einem Schreiben, das SWIFT an seine Mitgliedsinstitute versandt hat, wurde am 12. März 2020 verkündet, dass der Start der MT-/MX-Migration als Reaktion auf Feedback aus dem Markt um ein Jahr – auf November 2022 – verschoben wird1. Kurze Zeit später berichtete das Eurosystem, der Zeitplan für die geplante TARGET2-Konsolidierung werde nicht geändert. Inzwischen hat auch die DK die Migration von DTAZV auf XAZV verschoben, eine finale Stellungnahme der EBA Clearing steht aktuell noch aus. Es ist davon auszugehen, dass auch hier zunächst (wie beim Eurosystem) am bestehenden Zeitplan festgehalten wird. 

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist der TARGET Go Live unverändert weiterhin im November 2021. Dies steigert die Komplexität der Umsetzungsvorhaben innerhalb der einzelnen Projektportfolien. Wünschenswert für alle Marktteilnehmer wäre sicherlich die Harmonisierung der Go Live Zeitpunkte, wie sie vor einigen Wochen noch gegeben war. 
Finanzinstitute müssen bisherige Zeitpläne überprüfen und herausfinden, wie Projekte sinnvoll umgeplant und priorisiert werden können. Ebenfalls sollten sie die Erfahrungen aus dem bisherigen Projektverlauf analysieren und die richtigen Schlüsse für den weiteren Weg zur erfolgreichen MX-Umstellung ziehen. 

Wir sehen folgende Ansatzpunkte: 

1. Ausmaß und Interdependenzen der MX-Migration erfordern übergreifendes Projektvorgehen und zielgerichtete Verortung in der Institution

Bereits vor der Verschiebung der MX-Umstellung seitens SWIFT und DK war klar: Die verschiedenen Initiativen bedeuten für die Bankenlandschaft zusammengenommen eine größere Aufgabe als die SEPA-Einführung vor einigen Jahren. Neben einer aufwendigen Anpassung der Zahlungsverkehrsstrecken sind auch Treasury- sowie Handelssysteme betroffen, und eine Bewertung zahlreicher Um- und Nebensysteme ist erforderlich. 

Unsere Empfehlung: Zur effizienten Steuerung der Themen braucht es eine übergeordnete Projektstruktur, die alle betroffenen Bereiche einbindet. Ohne eine zielgerichtete Koordination von interner IT, den verschiedenen Fachabteilungen (die üblicherweise von mehreren Projekten gleichzeitig beansprucht werden) sowie Software- und gegebenenfalls Sourcing-Dienstleistern, drohen vermeidbare Konkurrenzsituationen und Reibungsverluste. Entsprechend sollten Banken jetzt das gewählte Projekt-Setup vor dem Hintergrund der veränderten Ausganslage überprüfen und nachschärfen, wo dies erforderlich ist.

2. Erkennen & Nutzen von Chancen

Sollten das Eurosystem und EBA Clearing die Verschiebung mitgehen, haben die Institute durch die hinzugewonnene Zeit die Gelegenheit, fachliche Entscheidungen zu justieren.

Unsere Empfehlung: Die system- und bereichsübergreifenden Anforderungen des Themas MX-Migration ermöglichen die Implementierung neuer, effizienter Prozesse und erlauben es gleichzeitig, Altlasten in den Systemen zu beseitigen – ein Ansatz, der zuvor durch den engen Zeitplan möglicherweise nicht ausreichend in Betracht gezogen wurde. So könnte beispielsweise sichergestellt werden, dass die Umsetzung neudesignter Retouren- und Rechercheprozesse nicht nur im Auslands-, sondern auch im Individualzahlungsverkehr vollständig und ohne Workarounds erfolgt. 

Aktuell scheint jedoch das beschriebene Szenario der auseinanderlaufenden Zeitpläne zwischen SWIFT und DK sowie dem Eurosystem und der EBA die wahrscheinlichere Variante zu sein. Für diesen Fall lässt sich festhalten, dass die bisher geleisteten Arbeiten weitergeführt werden müssen, um sie sinnvoll beispielsweise in Richtung Schalterlösungen zu entwickeln. 

3. Aufwendige Implementierung von XAZV aufgrund von strukturierten Informationen

Die Verarbeitung und Aufbereitung von strukturierten Informationen (Adressfelder, Verwendungszweck, Begünstigte etc.) aus dem 
neuen ISO20022-Kundenzahlungsformat XAZV stellen die Zahlungsverkehrsexperten vor eine weitere Herausforderung. 

Unsere Empfehlung: Die  Angleichung der DK an den Zeitplan von SWIFT sollten Banken nutzen, um sich von »abgespeckten« Alternativ-oder Übergangslösungen zu verabschieden und eine vollständige Implementierung von XAZV zum November 2022 anzustreben. Durch die  hinzugewonnene Zeit lassen sich interne Datenbanken und Verarbeitungsstrecken umfangreich auf die neuen Formate migrieren. Zunächst stufenweise geplant, kann dies nun direkt benutzerfreundlich und mit hoher Automatisierung umgesetzt werden. 


FAZIT

Die vormals klaren Zeitpläne drohen sich zu »Moving Targets« zu entwickeln. Die bisherigen Verschiebungen werden voraussichtlich zu einer Umplanung der Ressourcen führen, wodurch Teilprojekte eventuell zeitweise handlungsunfähig werden. Außerdem könnten die Maßnahmen von SWIFT und DK als Signal verstanden werden, dass auch das Eurosystem und die EBA ihre Zeitpläne überdenken.

Bei all diesen Überlegungen müssen Projekte in einer gewissen Unsicherheit weiterlaufen – es bieten sich jedoch auch neue Möglichkeiten. Nicht zuletzt die weltumspannende Corona-Krise könnte sich hier noch entscheidend auswirken, da wichtige Player für die TARGET2-Migration in von der Pandemie stark betroffenen Ländern sitzen.

Bei Capco haben wir für die unterschiedlichen Szenarien bereits Ideen entwickelt. Unsere Payments- und Project Management-Experten verfügen über langjährige Erfahrung mit komplexen Herausforderungen. Die heute bekannten Verschiebungen haben wir in unsere Planungen aufgenommen und diskutieren mit unseren Kunden das bestmögliche Vorgehen. Auch für das Szenario, dass Eurosystem und EBA ihre Planungen anpassen, schlagen wir Ihnen passende Reaktionen für einen erfolgreichen Projektabschluss vor. 

Sprechen Sie uns gerne darauf an. 

KONTAKT

Carsten Hahn, Partner
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